5. Dezember 2018
Der Sanierungserlass ist tot, es lebe das Sanierungsgesetz!

Wir haben in unserem Blog bereits mehrfach über die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Freistellung von Sanierungsgewinnen berichtet.

Nunmehr gibt es endlich die von der Sanierungspraxis, den Finanzbehörden und letztendlich dem BFH geforderte Klarheit, denn wir haben wieder eine geltende gesetzliche Regelung!

Noch einmal zur Erinnerung die Vorgeschichte

Der Große Senat des BFH hatte in 2016 den Sanierungserlass der Finanzverwaltung aus 2003 als nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar verworfen.[1]

Nunmehr sah sich der Gesetzgeber endlich wieder in der Pflicht, eine Neuregelung zu schaffen, welche die für „sinnvolle“ Sanierungen als notwendig erachtete Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen sicherstellt. Dies ist im Rahmen der neuen §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG geschehen. Die Regelungen gelten entsprechend auch für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer (§ 8 Abs. 1 KStG, § 7b GewStG).

Der Gesetzgeber war aber zu recht vorsichtig und wollte keine spätere Ablehnung des Gesetzes durch die europäische Kommission wegen unzulässiger Subventionsgewährung riskieren.

Deshalb sollten die Neuregelungen zur Steuerfreistellung des Sanierungsgewinns erst an dem Tag in Kraft treten[2], an dem die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass die maßgeblichen Regelungen entweder keine staatlichen Beihilfen i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV sind oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen.

Was lange währt wurde dann endlich gut.

Im August 2018 hat die EU-Kommission die beschlossenen deutschen gesetzlichen Regelungen über die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne mit dem europäischen Beihilferecht für vereinbar erklärt. Die EU-Kommission hat allerdings keinen förmlichen Beschluss erlassen, an welchen das Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung anknüpft. Sie hat lediglich in Form eines sog. Comfort Letter Stellung bezogen. Der Comfort Letter ist eine informelle Äußerung der EU-Kommission, in der diese ihre Überzeugung von der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit der Maßnahme ausdrückt.

Das neue Gesetz

Da der Gesetzgeber in der bisherigen Gesetzesfassung als Bedingung für das Inkrafttreten der Neuregelung ausdrücklich einen förmlichen Beschluss der EU-Kommission verlangt, konnte das schon verabschiedete Gesetz nicht automatisch in Kraft treten. Vielmehr musste der Gesetzgeber erneut handeln.

Das ist dann zum Glück sehr schnell passiert.

Mit Art. 19 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wurde daher Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen aufgehoben. Darüber hinaus ist nach § 52 Abs. 4a, Abs. 5 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen § 3a EStG auch in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen wurden. In diesem Fall ist auch § 3c Abs. 4 EStG bereits anzuwenden. Gleichlautende Übergangsbestimmungen enthalten § 34 Abs. 3b KStG sowie § 36 Abs. 2c GewStG[3].

Der Bundesrat hat am 23. November dem Gesetz zugestimmt, so dass es endlich in Kraft getreten ist. Die seit 2016 andauernde Hängepartie ist nunmehr endgültig  beendet.

Unsere Bewertung

Positiv ist, dass das Gesetz auch für die Gewerbesteuer gilt und die zum Teil mühsame Durchsetzung der Gewerbesteuerfreiheit der Sanierungsgewinne bei den Gemeinden künftig entfällt. Ferner ist positiv, dass das Gesetz auf Antrag auch für Altfälle vor dem 9. Februar 2017 angewendet werden kann, was auch für die Gewerbesteuer gilt.

Das Gesetz ist im Wesentlichen dem alten Sanierungserlass nachgebildet. Es wird nunmehr systematisch richtig von steuerfreien Sanierungserträgen gesprochen, die Voraussetzungen sind allerdings unverändert

·         Sanierungsbedürftigkeit

·         Sanierungsfähigkeit

·         Sanierungseignung des Schuldenerlasses

·         Sanierungsabsicht

Die übrigen Regelungen zur Verlustverrechnung, zur Behandlung von sanierungsbedingten Kosten und zur verpflichtenden Ausübung von gewinnmindernden steuerlichen Wahlrechten sind detailliert und kompliziert, aber vom Sinn und Zweck nachvollziehbar. Im Ergebnis sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die zu erlassende Steuer so gering wie möglich werden zu lassen. Kosten im Zusammenhang mit der Sanierung sollen nicht steuermindernd geltend gemacht werden können, wenn der Ertrag selbst steuerfrei gestellt wird. Die Praxis wird zeigen wie gut mit dem neuen Gesetz gearbeitet werden kann. Aufgrund des komplizierten deutschen Steuerrechts steckt mal wieder der Teufel im Detail. Aber das ist alles besser, als keine gesetzliche Regelung zu haben. Die Sanierungspraxis hat wieder Boden unter den Füßen und Altfälle können endlich im Sinne der Steuerpflichtigen gelöst werden.

Die Finanzverwaltung sollte nunmehr auch wieder in der Lage sein, sogenannte verbindliche Zusagen zu erteilen. Diese werden in vielen Sanierungsfällen zu Recht von den verzichtenden Gläubigern gefordert, um die Sanierung insgesamt nicht durch Steuerbelastungen auf nicht liquiditätswirksame Forderungsverzichte zu gefährden oder zu verhindern.

[1] Vgl. BFH, Beschluss v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl 2017 II S. 393,
[2] Nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen
[3] Vgl. Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BR-Drucks. 559/18 vom 9.11.2018 S. 24.

Dipl.-Kfm. Carsten Deecke, Fachberater für Sanierung u. Insolvenz­verwaltung (DStV e.V.)
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater