17. November 2022
Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Drastische Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Zusammenhang mit Immobilien durch das Jahressteuergesetz 2022?

Bisher ist der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022, eher in Bezug auf einige vorgesehene Steuererleichterungen, wie der Homeofficepauschale oder Vereinfachungen für bestimmte Photovoltaikanlagen, in Erscheinung getreten. Jedoch beinhaltet der mittlerweile im Kabinett abgestimmte Regierungsentwurf auch Änderungen des Bewertungsgesetzes, welche ab dem 01.01.2023 im Zusammenhang mit Immobilien zu einer erheblichen Mehrbelastung durch Erbschaft- und Schenkungsteuer führen können.

Durch die Änderungen des Bewertungsgesetzes sollen insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14.07.2021 angepasst werden.

Dies führt ersten Einschätzungen nach zu einer steuerlichen Werterhöhung von 20-30%. In Einzelfällen können die Auswirkungen jedoch auch mehr als 50% ausmachen. Begründet werden die Änderungen mit notwendigen Anpassungen an die tatsächliche Marktlage und betreffen sowohl das Ertragswert- als auch das Sachwertverfahren und somit die Bewertung nahezu aller Immobilien. Grundsätzlich sind Wohnungs- und Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser zwar im Rahmen des Vergleichswertverfahrens mit Vergleichspreisen zu bewerten und somit von den Änderungen der anderen beiden Verfahren nicht direkt betroffen, doch liegen solche in der Praxis oft nicht vor, sodass als Auffangtatbestand die Immobilien im Sachwertverfahren zu bewerten sind. Mietwohngrundstücke und Geschäftsgrundstücke, welche im Ertragswertverfahren zu bewerten sind, sind ebenso betroffen.

Die geplanten Änderungen im Einzelnen:

  • Für diverse Gebäudearten soll die gesetzlich festgelegte Gesamtnutzungsdauer von 70 auf 80 Jahre verlängert werden. Dies führt dazu, dass sich die für die Bewertung relevante Restnutzungsdauer und somit der Kapitalisierungszeitraum verlängert.
  • Die gesetzlichen Liegenschaftszinsen, welche zur Anwendung kommen, sofern vom Gutachterausschuss keine Liegenschaftszinsen veröffentlicht worden sind, sollen für alle Objektarten gesenkt werden. Dadurch erhöht sich der Kapitalisierungsfaktor und somit auch der Steuerwert der Immobilie entsprechend
  • Die Bewirtschaftungskosten, welche bisher nach Erfahrungssätzen prozentual in Relation zur Miete pauschal anzusetzen sind, sollen künftig mit niedrigeren festen Beträgen abgegolten werden, welche sich an der Fläche oder der Anzahl der Wohnungen orientieren. Bei Immobilien mit hohen Verwaltungs- oder Instandhaltungskosten können sich durch die Deckelung erhebliche Auswirkungen auf den Immobilienwert ergeben. Darüber hinaus wird durch die Aufgabe der bisherigen pauschalen Wertermittlung die Bewertung aufwändiger.
  • Im Sachwertverfahren, bei dem die Ermittlung des Gebäudesachwertes mit den Regelherstellungskosten je Quadratmeter unter Anpassung des Baupreisindex erfolgt, wäre schon aufgrund der Erhöhung der Baukosten im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 mit einer deutlichen Erhöhung der Immobilienwerte zu rechnen gewesen. Zusätzlich sollen künftig auch noch regionale Unterschiede über einen Regionalfaktor erfasst werden, welcher gerade in Großstädten und angrenzenden Gemeinden zu deutlichen Werterhöhungen führen dürfte.
  • Des Weiteren wirkt sich die Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer auch im Rahmen des Sachwertverfahrens werterhöhend aus.

Unsere Einschätzung zu den geplanten Änderungen:

Für Immobilienbesitzer sind die geplanten Änderungen ein weiterer Wermutstropfen. Die geplanten Änderungen des Bewertungsgesetzes führen, insbesondere im Sachwertverfahren, zu deutlich höheren Bewertungen. Dies dürfte sich vor allem bei in Städten belegenen Immobilien bemerkbar machen. Auch zukünftig steht es dem Steuerpflichtigen offen, den Nachweis eines tatsächlich geringeren Wertes durch Gutachten zu führen. In Anbetracht der aktuellen Marktlage auf dem Immobilienmarkt, geprägt durch hohe Immobilienpreise der letzten Jahre auf der einen Seite und den Auswirkungen des Ukrainekrieges, der Inflation und der gestiegenen Fremdfinanzierungskosten auf der anderen Seite, bleibt abzuwarten, welche Werte zukünftig ermittelt werden.

Da in Erbfällen oder Schenkungen in der Regel kein Verkauf, sondern nur eine Übertragung innerhalb der Familie stattfindet und derartige Vorgänge somit grundsätzlich keine zusätzliche Liquidität freisetzen, dürften die Steuererhöhungen viele Betroffene spürbar treffen. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ohnehin angedachte Übertragungen in das aktuelle Jahr vorzuziehen oder jedenfalls die Auswirkungen der zukünftigen Regelungen im Einzelfall zu überprüfen.

Sprechen Sie uns gern an.

Maximilian Schwedt
Steuerberater