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11. September 2018
EuGH in der Rechtssache Bevola A/S und Jens W. Trock: Finale Verluste bei Freistellungsbetriebsstätten

EuGH in der Rechtssache Bevola A/S und Jens W. Trock: Finale Verluste bei Freistellungsbetriebsstätten

Das Ringen um den grenzüberschreitenden Verlustabzug bei endgültigen Auslandsverlusten geht weiter. Der EuGH hatte in seiner Leitentscheidung Marks & Spencer (C-446/03) befunden, dass im Ausland endgültige – d.h. unter keinen Umständen – abziehbare Verluste einer Tochtergesellschaft ausnahmsweise im Heimatstaat der Muttergesellschaft steuerlich abzugsfähig sein können. Diesem Ergebnis entgegenstehende nationale Regelungen verstoßen nach Ansicht des EuGH gegen die europarechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex Art. 43, 48 EG).

Eine Rechtsgrundlage, die zum Abzug finaler ausländischer Verluste von Betriebsstätten berechtigt, existiert derzeit in Deutschland nicht. Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte werden vielmehr regelmäßig aufgrund der Bestimmung eines DBA – vorbehaltlich des Eingriffs einer Umschaltklausel – unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt. Kommt eine Besteuerung von Gewinnen aufgrund Steuerfreistellung in Deutschland nicht in Betracht, können im Gegenzug auch Verluste aus diesen Quellen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (Steuerfreistellung umfasst positive wie negative Einkünfte, sog. Symmetriethese des BFH). Für den Ausnahmefall finaler Verluste ist der BFH in ständiger Rechtsprechung dem EuGH gefolgt und hat solche Verluste aufgrund Beschränkung der Niederlassungsfreiheit trotz Steuerfreistellung zum Abzug zugelassen.[1] Nach den vermeintlich anderslautenden Entscheidungen Nordea Bank (C-48/13) und Timac Agro (C-388/14) versagte allerdings der BFH einen Verlustabzug.[2] In der Rechtssache Bevola A/S[3] hat der EuGH sich nun erneut mit der Thematik beschäftigt.

 

Sachverhalt

Das in Dänemark domizilierte Unternehmen Bevola, im Rechtskleid einer dänischen Aktiengesellschaft (A/S) geführt, betrieb in den streitigen Jahren eine Zweigniederlassung in Finnland. Diese finnische Betriebsstätte wurde im Jahr 2009 geschlossen. Aufgelaufene Verluste in Höhe von ca. TEUR 300 waren in Finnland nicht „aufgebraucht“ worden und aufgrund des Exits auch in Zukunft nicht mehr steuerlich nutzbar.

Nach dem dänischen Körperschaftsteuerrecht waren Einkünfte aus einer solchen Betriebsstätte grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (§ 8 Abs. 2 KStG DK). Das dänische Recht bietet daneben die Möglichkeit, zu einer internationalen Besteuerung gemäß § 31A KStG DK zu optieren.[4] Würde optiert, käme letztlich die Versteuerung in Dänemark unter Anrechnung ausländischer Steuern (Anrechnungsmethode) zur Anwendung. Dieser Antrag wurde von Bevola nicht gestellt. Es verblieb nach dänischem Recht also bei der Steuerfreistellung der Betriebsstätten-Einkünfte.

 

Urteil

Der EuGH argumentierte in der vorgelagerten Vergleichbarkeitsprüfung damit, das Ziel der nationalen Regelung sei in den Mittelpunkt dieser Prüfung zu stellen. Die Regelungen Dänemarks, die eine Doppelbesteuerung bzw. doppelte Verlustberücksichtigung verhindern sollen, dienten dem übergeordneten Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft mit einer ausländischen verlusttragenden Betriebstätte, die die werbende Tätigkeit beendet hat, sei aber genauso betroffen wie im reinen Inlandsfall und der Sachverhalt mithin objektiv vergleichbar.

Zur Finalität der Verluste betont der EuGH, dass er an seiner Rechtsprechung aus der Marks & Spencer Entscheidung unverändert festhält und diese auch auf Betriebsstätten anzuwenden ist.[5] Voraussetzung hierfür sei, dass das Unternehmen im Betriebsstättenstaat alle nationalen Möglichkeiten zum Verlustabzug ausgeschöpft hat und aus der Betriebsstätte keine Einnahmen mehr erzielt würden.

 

Anmerkung

Liegt keine Vergleichbarkeit zwischen rein inländischen und grenzüberschreitenden Sachverhalten vor, liegt nach Spruchpraxis des EuGH keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor. Die Ungleichbehandlung eines Mitgliedsstaats solcher Sachverhalte „rechtfertigt“ sich dann bereits durch die fehlende Vergleichbarkeit.

Nach dem Urteil in der Rechtssache Timac Agro (C-388/14) war in der deutschen Rechtsprechung und Literatur ein Umdenken in der Thematik der endgültigen Verluste erkannt worden. Der EuGH hatte seinerzeit entschieden, dass in- und ausländische Betriebsstätten grundsätzlich nicht miteinander vergleichbar seien.[6] Er kam nur aufgrund der damals in Deutschland existierenden Regelung § 2a Abs. 3 EStG a. F., nach der ein ausländischer Verlustabzug trotz Steuerfreistellung unter Vorbehalt der Nachversteuerung möglich war, zum Ergebnis der Vergleichbarkeit in- und ausländischer Betriebsstätten. Für Zeiträume in denen §2a Abs. 3 EStG a. F. entfallen war sollte kein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vorliegen. Den Grundsatz, dass in- und ausländische Betriebsstätten grundsätzlich nur bei Einbeziehung der Betriebsstätte in die Besteuerungshoheit des Stammhausstaates vergleichbar sind, hebt der EuGH in der Sache Bevola erneut hervor. Allerdings führt er nunmehr auch aus, dass auf das Ziel der nationalen Regelung abzustellen sei um die Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu prüfen.[7] Wieso das Vorstehende nicht auch im Rahmen von Timac Agro gelten sollte erschließt sich vordergründig nicht. Ausführungen zum Ziel der Regelung sucht man im Urteil aus dem Jahr 2015 jedenfalls vergeblich.

Die Ausführungen des EuGH zum Leistungsfähigkeitsprinzip sollten auf Unternehmen mit Betriebsstätten unter dem Schutz eines Doppelbesteuerungsabkommens (Freistellungsmethode) und damit auch auf deutsche Fälle übertragbar sein. Die Verlustsituation der Gesellschaft induziert die geschwächte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, die bei Finalität der Verluste im Ausland gerade nicht steuerlich abgemildert wird. Würde der Verlustabzug im Stammhausstaat trotz Finalität der Verluste schlechterdings versagt, lägen weiße Verluste ohne steuerliche Berücksichtigung vor. Verlusten ohne steuerliche Auswirkung ständen im Zweifel besteuerte Gewinne aus derselben Quelle gegenüber. Dieses Ergebnis wäre – wenngleich erst im europäischen Kontext – systematisch kaum zu rechtfertigen.

Der EuGH erteilt damit der Rechtsprechung des BFH[8] eine Abfuhr, welche die Timac Agro Entscheidung als Abkehr von der Marks & Spencer Doktrin interpretierte. Dem BFH wiederrum liegt im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde[9] derzeit ein ähnlicher Fall einer italienischen Betriebsstätte vor. Er hat folglich die Möglichkeit, sich mit dem Bevola-Urteil im Kontext seiner eigenen Rechtsprechung auseinander zu setzen. Das Ergebnis sollte mit Interesse verfolgt werden, bietet der Abzug finaler Verluste beim Stammhaus doch die letzte Möglichkeit zur steuerlichen Berücksichtigung.

 

[1] Vgl. beispielsweise BFH, Urteil vom 17.07.2008 – I R 84/04, BFH/NV 2008, 1940.

[2] Vgl. BFH Urteil vom 22.2.2017, I R 2/15 BStBl. II 2017, 709.

[3] Vgl. EuGH Urteil vom 12.06.2018C 650/16 A/S Bevola und Jens W. Trock.

[4] Vgl. EuGH Urteil vom 12.06.2018C 650/16 A/S Bevola und Jens W. Trock Rz. 3 ff.

[5] Vgl. EuGH Bevola, a.a.O., Rz. 63 f.

[6] Vgl. EuGH, Urteil vom 17.12.2015 – C-388/14 Timac Agro Deutschland GmbH / FA Sankt Augustin Rz. 27 f. = IStR 2016, 74 ff.

[7] Vgl. EuGH Bevola, a.a.O., Rz. 32.

[8] BFH Urteil vom 22.2.2017, I R 2/15 BStBl. II 2017, 709.

[9] Az. I B 95/14, Vorinstanz: FG Hamburg, Urteil vom 6.8.2014 – 2 K 355/12.

Lars Starke, LL.M.
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