20. November 2018
Gilt die „Ehe für alle“ auch rückwirkend?

Gleichgeschlechtliche Ehegatten, die ihre eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen. Nach Ansicht des Finanzgerichts Hamburg liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, da der Gesetzgeber die Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe mit besonderem Wirkungszeitpunkt gesetzlich festgelegt hat.[1]

Was ist passiert?

Bereits in 2001 wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft gesetzlich installiert.[2] Der Status war jedoch nicht gleichzustellen mit der gesetzlichen Ehe. So stand der eingetragenen Lebenspartnerschaft insbesondere bei der Einkommensteuer der Splittingtarif nicht zur Verfügung. Letztendlich hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 klargestellt, dass der Gesetzgeber eine Gleichstellung herstellen muss.[3] Mithin folgte eine Gesetzesänderung in 2013, die eine einkommensteuerliche Gleichstellung auf alle noch offenen Fälle bewirkte.[4] Nun stellt sich aber die Frage, wie mit den „nicht offenen“ Fällen, die zwischen den Jahren 2001 bis 2012 bestehen, umzugehen ist. Exakt dieser Streitfall wurde nun erstmalig vor dem FG Hamburg behandelt – mit einem positiven Ausgang für die Steuerpflichtigen.

Im Urteilsfall hatten die Steuerpflichtigen Ihre in 2001 eingetragene Lebenspartnerschaft im Jahr 2017 in eine formelle Ehe umschreiben lassen. Dieser Schritt war möglich, da in 2017 der Status der Ehe im bürgerlich-rechtlichen Sinn erweitert wurde, um auch hier eine Angleichung herzustellen. In dem Gesetz wurde festgehalten, dass für die Wirkung der gleichgeschlechtlichen Ehe der Tag der ursprünglichen Begründung der Lebenspartnerschaft in 2001 maßgeblich ist.[5]

Als Folge bestand daher schon seit 2001 eine Ehe mit allen Rechten und Pflichten. Steuerrechtlich sind damit die nicht offenen bzw. bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide (2001-2012) zu ändern, als sog. rückwirkendes Ereignis.

Neben der Einkommensteuer ist die Gesetzesänderung auch für frühere Schenkungen, Erbschaften und Grundstücksübertragung zwischen Lebenspartner wichtig sein, da auch hier eine Gleichstellung erfolgte.

Einziger Wermutstropfen ist, dass gegen das Urteil noch Revision eingelegt wurde.[6] In anderen Fällen ist somit nach den Änderungsanträgen gegen die Ablehnungsbescheide mit Verweis auf das anhängige Verfahren Einspruch einzulegen (ruhendes Einspruchsverfahren).

Aus diesen (unromantischen) steuerlichen Gründen sollte bei lange bestehenden Lebenspartnerschaften eine Umwandlung in eine Ehe angedacht werden. Melden Sie sich gern, so dass wir Ihre Fragen und ggf. Möglichkeiten diesbezüglich diskutieren können.

 

[1] Siehe FG Hamburg vom 31.7.2018 -1 K 92/18.

[2] Siehe Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG vom 16.2.2001 (BGBl 2001 I S. 266)

[3] Vgl. BVerfG vom 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07

[4] Vgl. § 2 Abs. 8 EStG i.V.m. § 52 Abs. 2a EStG.

[5] Vgl. Art. 3 Abs. 2 Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017

[6] Verfahren anhängig beim BFH unter Az. III R 57/18.

Florian Schmidt, B.A.
Steuerberater