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11. Juni 2025
Pflichten eines nichtöffentlichen Arbeitgebers nach § 164 Abs. 1 SGB IX bei freien Stellen / Stellenanzeigen

Prüfungspflicht bei freien Arbeitsplätzen
Arbeitgeber müssen bei jeder freien Stelle prüfen, ob diese mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann.

Handlungsempfehlung:
Jede Stellenausschreibung sollte systematisch daraufhin überprüft werden, ob schwerbehinderte Menschen für die Position in Betracht kommen. Im Rahmen der Prüfung sind die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebs- oder Personalrat zu unterrichten und anzuhören, soweit diese bestehen. Die Prüfung ist zu dokumentieren (z. B. durch einen Vermerk im Bewerbungsprozess).

 

Frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit
Arbeitgeber sind verpflichtet, frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, um geeignete schwerbehinderte Bewerber zu finden.

Handlungsempfehlung:
Bereits vor der anderweitigen Veröffentlichung der Stelle sollte die Agentur für Arbeit informiert und um Vorschläge gebeten werden. Für die Kontaktaufnahme ist es nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Stelle in die Online-Jobbörse der Agentur für Arbeit einstellt. Vielmehr muss der Arbeitgeber einen Vermittlungsauftrag an die bei der Agentur für Arbeit eingerichtete besondere Stelle zur Durchführung der der Agentur für Arbeit zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben richten.

 

Berücksichtigung von Vermittlungsvorschlägen
Arbeitgeber müssen die von der Agentur für Arbeit oder einem Integrationsfachdienst vorgeschlagenen schwerbehinderten Bewerber ernsthaft in den Auswahlprozess einbeziehen.

Handlungsempfehlung:
Alle vorgeschlagenen Bewerber sind in das Auswahlverfahren einzubeziehen und deren Eignung zu prüfen. Die Ablehnung ist zu begründen und zu dokumentieren.

 

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Die Schwerbehindertenvertretung ist frühzeitig und umfassend über Bewerbungen schwerbehinderter Menschen zu informieren und bei allen Entscheidungen zu beteiligen.

Handlungsempfehlung:
Die Schwerbehindertenvertretung ist unverzüglich nach Eingang einer Bewerbung zu informieren und in den Auswahlprozess einzubinden. Hierfür sind vorab Prozesse zu definieren und aufzusetzen, damit eindeutige Handlungsanweisungen bestehen und befolgt werden können. Die Einbindung der Schwerbehindertenvertretung ist zu dokumentieren.

 

Konsequenzen bei Verstößen gegen § 164 Abs. 1 SGB IX

  • Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche:
    Wird gegen die Pflichten aus § 164 Abs. 1 SGB IX verstoßen, kann dies einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG für abgelehnte bewerbende Personen auslösen. Die Entschädigung kann bis zu drei Monatsgehälter betragen, bei groben Verstößen auch mehr. Zudem kann ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 164 SGB IX bestehen, wenn dem Bewerber durch die Pflichtverletzung ein konkreter Schaden entsteht (z.B. entgangener Verdienst).
  • Indizwirkung für Diskriminierung:
    Die Verletzung der Pflichten begründet eine Indizwirkung für eine Benachteiligung wegen Behinderung nach § 22 AGG. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag. Dies kann häufig sehr schwierig sein.
  • Unwirksamkeit von Entscheidungen:
    Bei Missachtung der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung kann die getroffene Auswahlentscheidung unwirksam sein, was zu einer Wiederholung des Auswahlverfahrens führen kann.

 

Zusammenfassung
Die Einhaltung der Pflichten aus § 164 Abs. 1 SGB IX ist für nichtöffentliche Arbeitgeber zwingend. Die Personalabteilung sollte die genannten Handlungsempfehlungen systematisch umsetzen und dokumentieren, um rechtliche Risiken und insbesondere Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche zu vermeiden.

Johann Moritz Leverkühn
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht