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30. März 2021
„Steuerfalle“ bei Anwendung der Fünftelregelung?

Die sogenannte Fünftelregelung stellt für Arbeitnehmer, die Abfindungen oder Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten erhalten, grundsätzlich eine Steuervergünstigung dar. Eine Besonderheit gilt es in grenzüberschreitenden Fällen zu beachten: Aufgrund einer Gesetzesänderung führt die Anwendung der Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug seit dem Veranlagungszeitraum 2020 zur Pflichtveranlagung nur beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer! Der folgende Beitrag zeigt, dass dies unter Umständen beträchtliche Nachteile zur Folge haben kann.

Beschränkt steuerpflichtig sind u. a. Arbeitnehmer, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, aber Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, die im Inland ausgeübt oder verwertet worden ist. Dieser nationale Grundsatz wird teilweise durch Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt, wobei die inländische Tätigkeit für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber verkürzt gesagt i. d. R. zu einer Besteuerung in Deutschland führt. Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern gilt die Einkommensteuer grundsätzlich als mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten; eine Veranlagung erfolgt regelmäßig nicht.

Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2019 galt die abgeltende Wirkung der Lohnsteuer auch für Fälle, in denen die Fünftelregelung angewandt wurde. Dies hat sich seit dem Veranlagungszeitraum 2020 allerdings grundlegend geändert. Nunmehr gilt für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber die Lohnsteuer auf eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten oder eine Abfindung nach der Fünftelregelung berechnet hat, eine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung! Und nicht nur das: bei der Veranlagung kommt zudem der Progressionsvorbehalt zur Anwendung, d. h. Einkünfte des Steuerpflichtigen, die nicht der deutschen Steuer unterliegen, werden in die Berechnung des deutschen Steuersatzes einbezogen.

Wann greift denn überhaupt die Fünftelregelung? Diese kommt für sogenannte „außerordentliche Einkünfte“ im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG infrage. Für Arbeitnehmer relevante Beispiele sind vor allem Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten wie geballte Zahlungen von Tantiemen für einen längeren Zeitraum. Bitte beachten: Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nicht: zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte und regelmäßig ausgezahlte gewinnabhängige Tantiemen, deren Höhe erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres festgestellt werden kann

Bezieht ein Arbeitnehmer solche außerordentlichen Einkünfte, können unbillige Härten auftreten: Der geballte Zufluss innerhalb eines Kalenderjahres führt aufgrund des progressiven Einkommensteuersatzes dazu, dass auch seine Regeleinkünfte einem höheren Steuersatz unterliegen. Das wäre grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn es zu einer nachhaltigen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers käme – dies ist bei Abfindungen bzw. einmaligen oder sporadischen Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten aber gerade nicht der Fall. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber mit der „Fünftelregelung“ des § 34 Abs. 1 EStG eine Steuervergünstigung für derartige Fälle vorgesehen. Obgleich im Gesetzeswortlaut relativ kompliziert formuliert, bedeutet die Regelung letztendlich Folgendes: Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte bemisst sich nach dem Fünffachen der Steuer, die zusätzlich entstünde, wenn nur ein Fünftel dieses Betrags besteuert würde. Wäre der Einkommensteuersatz konstant, würde sich hieraus keine Wirkung ergeben; vor dem Hintergrund der Steuerprogression aber kann sich eine gemilderte Steuerbelastung für den Steuerpflichtigen ergeben. Die Fünftelregelung ist vom Arbeitgeber zwingend anzuwenden, wenn sie günstiger für den Steuerpflichtigen ist.

So weit, so gut. Nun die Krux an der Sache: Bezieht der Steuerpflichtige Einkünfte, die in Deutschland steuerfrei sind, aber unter Progressionsvorbehalt stehen, sind die sich ergebenden besonderen – höheren – Steuersätze bei Anwendung der Fünftelregelung zu berücksichtigen.

 

Beispiel:

Die Steuerpflichtige A wohnt in Frankreich nahe der deutschen Grenze. Im Jahr 2020 bezog sie nur ein Monatsgehalt für Januar i. H. v. EUR 5.000 und zusätzlich eine Abfindung von EUR 30.000 von ihrem deutschen Arbeitgeber. Ab März arbeitet sie in Frankreich und bezieht insgesamt Einkünfte i. H. v. EUR 60.000.

A ist nun verpflichtet, für das Jahr 2020 eine Einkommensteuererklärung in Deutschland abzugeben und dabei auch die in Frankreich steuerpflichtigen Einkünfte für die Berechnung des Steuersatzes anzugeben, sodass in Deutschland eine höhere Steuerbelastung entsteht.

 

Das vorstehende Beispiel zeigt, dass die neue Rechtslage für beschränkt Steuerpflichtige zum Nachteil werden kann. Liegen neben den inländischen Einkünften aus einem Arbeitsverhältnis ausländische Einkünfte vor, die in Deutschland unter den Progressionsvorbehalt fallen, könnte es in vielen Fällen eigentlich sinnvoll sein, die Anwendung der Fünftelregelung zu vermeiden. Allerdings sind Arbeitgeber verpflichtet, diese anzuwenden, wenn die Lohnsteuer für den Steuerpflichtigen dadurch günstiger wird. Aufgrund der daraus wiederum folgenden Pflichtveranlagung können sich wiederum die dargestellten negativen Folgen einstellen. Was kann man in der Praxis tun? Je nach Sachverhalt ist zu überlegen, die Auszahlung von mehrjährigen Vergütungen möglichst zu vermeiden. Bitte beachten: Was genau als mehrjährige Vergütung gilt, ist im jeweiligen Fall zu prüfen.

Jeder Sachverhalt ist individuell und erfordert eine umfassende steuerliche Beurteilung aller Umstände. Insbesondere sind stets sämtliche Einkünfte und das individuelle Doppelbesteuerungsrecht zwischen den betreffenden Staaten zu würdigen.

Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an.

Dipl.-Ökon. Dr. Simone Wick
Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht