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10. April 2019
Urlaub ohne Ende?

Wann verfällt mein Jahresurlaub? Das Bundesarbeitsgericht bestätigte aktuell eine Entscheidung des EuGH zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Danach verfallen Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch zum Kalenderjahresende.

Der EuGH hatte bereits im November vergangenen Jahres in zwei Fällen entschieden, dass noch ausstehender Jahresurlaub nicht mehr automatisch zum Ende des Kalenderjahres entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nicht aktiv nachkommt. Der EuGH forderte in seiner Entscheidung, dass der Arbeitgeber aktiv und rechtzeitig auf die Inanspruchnahme des Urlaubs hinwirkt. Damit obliegt dem Arbeitgeber eine Mitwirkungspflicht der Art, dass er den Arbeitnehmer rechtzeitig auf seinen noch bestehenden Urlaub hinweisen muss. Darüber hinaus wird verlangt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch hinsichtlich der Rechtsfolgen aufklärt, nämlich dass nicht genommener Urlaub zum Ende des Kalenderjahres verfällt.

Die Entscheidung des EuGH wird nun durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. Februar 2019, Az. 9 AZR 541/15 umgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht greift den vom EuGH entwickelten Grundsatz auf, dass dem Arbeitgeber eine aktive Mitwirkungspflicht obliege. Ein Verfall von Urlaub kann in der Regel nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes erlischt und der Arbeitnehmer dennoch aus freien Stücken den Urlaub nicht genommen hat.

Die Entscheidung gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Die Arbeitsvertragsparteien können für darüber hinaus gewährten Urlaub abweichende Regelungen treffen.

WAS DAS FÜR SIE UND DIE PRAXIS BEDEUTET:

Grundsätzlich sollte es ohnehin sowohl im Interesse des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers sein, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen wird. Um eine unerwünschte Übertragung von Urlaub auf das Folgejahr zu vermeiden, müssen Arbeitgeber künftig aktiv darauf hinwirken, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub vollständig im laufenden Kalenderjahr nehmen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer konkret und erforderlichenfalls förmlich dazu aufzufordern, Urlaub zu nehmen. Weiterhin wird von Arbeitgebern gefordert, dass sie ihre Arbeitnehmer rechtzeitig und eindeutig darauf hinweisen, dass Urlaubsansprüche verfallen, wenn sie nicht bis zum Jahresende genommen werden.

TIPPS FÜR DIE PRAXIS:

Passen Sie Ihre Arbeitsverträge hinsichtlich der Urlaubsregelung an, indem noch deutlicher hervorgehoben wird, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub vollständig im Kalenderjahr nehmen sollen. Außerdem sollte ein klarer und unmissverständlicher Hinweis enthalten sein, dass Urlaub am Jahresende ersatzlos verfällt, der von Arbeitnehmern zum Jahresende nicht genommen wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem sollte in der Urlaubsregelung klar zwischen gesetzlichem und vertraglichem Urlaub unterschieden werden und ein Verfallstag des vertraglichen Urlaubs benannt werden.

Richten Sie eine Art Ampelsystem bei sich im Unternehmen ein, welches dazu führt, dass die Arbeitnehmer rechtzeitig im laufenden Jahr darauf hingewiesen werden, dass ihnen noch Urlaubsansprüche zustehen, dass der Urlaub bis zum Jahresende genommen werden soll und dass ein Anspruchsverlust droht, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub freiwillig nicht bis zum Jahresende nehmen sollte.

Weisen Sie rechtzeitig auf den Urlaub hin. Wann ein solcher Hinweis im laufenden Kalenderjahr erfolgen sollte, richtet sich nach den individuellen betrieblichen Gegebenheiten. Insbesondere in Betrieben, die regelmäßig einen sehr hohen Arbeitsanfall vor dem Jahresende zu verzeichnen haben, sollten Sie frühzeitig aktiv werden. Es bietet sich an, erstmalig entsprechende Hinweise an Arbeitnehmer zu richten, sobald die Zeit des Sommerurlaubs abgelaufen ist. Denn je mehr Zeit verbleibt, um den Urlaub zu nehmen, desto konfliktfreier dürfte die Urlaubsplanung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern umzusetzen sein.

Welche Anforderungen an die Hinweispflichten von Arbeitgebern genau zu stellen sind, wird leider erst die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung in den kommenden Jahren zeigen. Da nach den Vorstellungen des Bundesarbeitsgerichts jeder Arbeitnehmer „konkret aufgefordert“ werden soll, Urlaub zu nehmen, ist es nach der Rechtsprechung wahrscheinlich nicht ausreichend, dass die restlichen Urlaubstage auf der monatlichen Lohnabrechnung ausgewiesen werden. Es ist daher anzuraten, jeden Arbeitnehmer individuell und möglichst in Textform auf seine noch bestehenden Urlaubsansprüche hinzuweisen.

Da Urlaubsansprüche naturgemäß ein für Arbeitnehmer wichtiges und in der Praxis konfliktbehaftetes Thema sind, sollten Arbeitgeber jetzt tätig werden und für klare und transparente Regeln im Betrieb sorgen.

Dr. Steffen Görres
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Sarah Bruns
Rechtsanwältin