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3. November 2020
Verlängerung der gesellschaftsrechtlichen Sonderregelungen des „COVID-19-Gesetzes“

Die Verlängerung der Geltung der Maßnahmen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 („COVID-19-Gesetz“) für das Jahr 2021 ist beschlossen worden.

Die zur (ersten) Hochphase der Pandemie Anfang des Jahres im Eiltempo beschlossenen Maßnahmen, die eine Abhaltung von Haupt- und Gesellschafterversammlungen trotz der durch das Coronavirus eingeführten Kontaktbeschränkungen bestmöglich gewährleisten sollten, waren ursprünglich bis zum 31.12.2020 befristet, so dass ab dem 01.01.2021 die Erweiterungen der regulären gesetzlichen Vorgaben – etwa im Hinblick auf Beschlussfassungen in Unternehmen – wieder entfallen wären. Die Verlängerung der Fortgeltung der bisherigen (gesellschaftsrechtlichen) Maßnahmen des COVID-19-Gesetzes bis zum Jahresende 2021 wurde jedoch kürzlich auf Grundlage eines Referentenentwurfs aus September 2020 umgesetzt.

Mit Blick auf die derzeit akut ansteigenden Infektionszahlen war mit einer entsprechenden Verlängerung der Maßnahmen fest zu rechnen. Auch im kommenden Jahr werden wir weiterhin mit ggf. bundeslandabhängigen (temporäre) Kontaktbeschränkungen oder -Verboten, möglicherweise bis hin zu vollständigen „Lockdowns“ umgehen lernen müssen, was wiederum auch zukünftig die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen bei Unternehmen aller Rechtsform nicht erleichtern wird. Dies gilt umso mehr bei Gesellschaften mit größerem Gesellschafterkreis – klassischerweise also insbesondere bei Aktiengesellschaften und Vereinen.

„Inhaltlich unveränderte“ Verlängerung der bisherigen Maßnahmen

Durch die Regelungen des COVID-19-Gesetzes soll im Bereich des Gesellschaftsrechts insbesondere sichergestellt werden, dass die Beschlussfähigkeit des wesentlichsten Willensbildungsorgans einer jeden Gesellschaft – Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung, Mitgliederversammlung – trotz der pandemiebedingten Einschränkungen fortbesteht und somit der reguläre Betrieb des Unternehmens fortgesetzt werden kann.

Dementsprechend gab und gibt es rechtsformübergreifend Erleichterungen insbesondere bei der Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Gesellschafter in einer Versammlung, die vor allem im Bereich der Aktiengesellschaften schon in der Hauptversammlungssaison 2020 dazu führten, dass vermehrt vollständig virtuelle Hauptversammlungen abgehalten wurden, auch wenn das Aktiengesetz die grundlegenden Weichenstellungen schon seit bereits etwa 10 Jahren bereit hielt. Möchte man dem Pandemiegeschehen also etwas Gutes abgewinnen, so könnte man wohl zu dem Schluss kommen, dass es zu großen Teilen COVID-19 zu verdanken ist, die „digitale“/virtuelle Hauptversammlung salonfähig zu machen bzw. „ins digitale Zeitalter“ zu überführen.

Mag diese Entwicklung auch an vielen Stellen nicht nur Vorteile mit sich bringen (etwa Mehrkosten für die technische Infrastruktur, fehlender „direkter“ Austausch unter den Gesellschaftern), so ist nunmehr sicher, dass wir uns auch für das kommende Jahr 2021 auf ganz ähnliche Szenarien einzustellen haben:

Die Möglichkeiten zur

  • Abhaltung einer „virtuellen“ Hauptversammlung mit eingeschränkten Anfechtungsrechten,
  • Online-Teilnahme an der Hauptversammlung (auch ohne Satzungsermächtigung),
  • Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung (mit eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten),
  • Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage,
  • Möglichkeit, Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn auch ohne Satzungsregelung vorzunehmen,
  • Ermöglichung der Durchführung der Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres) bis zum 31. Dezember 2021

bleiben grundsätzlich aufrechterhalten.

Besserer Schutz der Aktionärsrechte und Begrenzung der Anwendung der Ausnahmeregelungen war gefordert

Die pandemiebedingten Sonderregelungen bei der Abhaltung von Hauptversammlungen brachten jedoch vor allem für die Aktionäre auch Einschränkungen mit sich. So wurde gesetzgeberisch die Möglichkeit gewährt, das Auskunfts- und Fragerecht der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung zu beschränken. Auch die Anfechtungsrechte wurden eingeschränkt: eine Frist von 2 Tagen vor Versammlungsbeginn zur Einreichung der Fragen konnte festgelegt werden, der Vorstand ist und war berechtigt, die Fragen der Aktionäre nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen zu beantworten.

Hinsichtlich dieser im Grundsatz doch recht einschneidenden Maßnahmen wurde im Vorfeld zur nunmehrigen Maßnahmenverlängerung vielerorts Korrekturbedarf bzw. Kritik geäußert. Der Referentenentwurf enthielt zwar entsprechende Hinweise und Wünsche, wie Gesellschaften künftig mit den Ausnahmeregelungen umgehen sollen, eine inhaltlich geänderte Verlängerung bzw. eine dementsprechende inhaltlich angepasste Neuregelung hat es jedoch nicht gegeben.

So ist im Referentenentwurf insbesondere aufgeführt, dass von (rein) virtuellen Hauptversammlungen nur noch bei entsprechender Erforderlichkeit aufgrund der Pandemie „im Einzelfall“ Gebrauch gemacht werden sollte. Ziel der Verlängerung sei es schließlich, Planungssicherheit für diejenigen Unternehmen zu schaffen, die ihre Hauptversammlungen in den ersten Monaten des Kalenderjahres 2021 abhalten wollen/müssen. Sollten „Großveranstaltungen“ wieder möglich sein, so wären die Gesellschaften jedoch keineswegs zur Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung gezwungen, sondern könnten neben der Rückkehr zur Präsenzversammlung etwa auch hybride Formate veranstalten.

Auch findet sich im Regierungsentwurf ein Hinweis, wonach Gesellschaften Gelegenheiten zur entsprechenden Anpassung ihrer Satzungen oder Statute nutzen sollen. Möglicherweise etablieren sich auf diesem Wege vermehrt entsprechende Satzungsregelungen, die flexible / hybride Versammlungslösungen zukunftsfähig machen oder künftig Mischformen sogar der „neue“ Normalfall sein werden.

Schließlich wurde im Entwurf appelliert, dass die Gesellschaften im Rahmen der im Einzelfall zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten die Frage- und Auskunftsrechte der Aktionäre bestmöglich bzw. möglichst aktionärsfreundlich gewährleisten mögen. Konkret geht es also darum, ob unbedingt von der 2-Tages-Frist zur Einreichung von Aktionärsfragen Gebrauch gemacht werden muss und ob etwa das dem Vorstand zustehende Ermessen bei der Beantwortung der Aktionärsfragen zur Folge haben sollte, dass möglicherweise nur ausgewählte, jedoch nicht sämtliche Fragen der Aktionäre beantwortet werden.

Ausblick auf die kommende Hauptversammlungssaison

Auch wenn insbesondere Aktionärsschützer und -Berater auf eine aktionärsfreundliche Umsetzung der verlängerten Sonderregelungen im Jahr 2021 gedrängt haben, so bleibt es nach wie vor bei den inhaltlich nunmehr sozusagen „altbekannten“ gesellschaftsrechtlichen Sonderregelungen des COVID-19-Gesetzes.

Gerade für börsennotierte Gesellschaften bleibt also das kommende Jahr eine gesellschaftsrechtliche Herausforderung, denn neben/trotz der Durchführung von „coronakonformen“ Hauptversammlungen wird bei vielen Gesellschaften zudem die Beschlussfassung über das Vergütungssystem (ARUG II) zwingender Tagesordnungspunkt werden.

Verlängerung auch für die weiteren Erleichterungen im GmbHG, GenG, UmwG

Auch die entsprechenden Erleichterungen für die GmbH, im Recht der Genossenschaften, im Umwandlungsrecht (Stichtag Schlussbilanz) sowie im Vereins- und Stiftungsrecht wurden bis zum 31.12.2021 verlängert.

Karsten Schreiner
Rechtsanwalt