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14. Mai 2019
BAURECHT: Keine Mangelbeseitigungskosten ohne Mangelbeseitung

Viele Menschen kennen die Situation: Bei einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall wird das eigene Fahrzeug beschädigt. Mit dem Kratzer oder der Beule lässt es sich jedoch grundsätzlich gut weiterleben. Der Schaden wird nicht repariert und auf sogenannter fiktiver Reparaturkostenbasis reguliert. Der Geschädigte erhält die angenommenen Netto-Reparaturkosten bis zur Grenze des Wiederbeschaffungsaufwandes. Die Art der Verwendung des erstatteten Geldes steht ihm frei.

Was bei der Regulierung von Verkehrsunfallschäden nach wie vor möglich ist, hat der BGH durch sein Urteil vom 22.02.2018[1] nunmehr für das Werkvertragsrecht ausgeschlossen. Nach bis dahin gefestigter Rechtsprechung konnte der Besteller, der einen Mangel der Werkleistung nicht beseitigen lassen wollte, Schadenersatz nach zwei verschiedenen Berechnungsmethoden verlangen. Er hatte die Wahl, ob er den Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der mangelfreien Sache und dem tatsächlichen Wert der mangelhaften Sache (Wertdifferenz) oder ob er die fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung verlangen möchte. In der Praxis wurde die Schadenersatzberechnung jahrzehntelang vorwiegend auf letztere Alternative gestützt.

Der BGH hatte im Februar 2018 konkret darüber zu entscheiden, nach welcher Berechnungsmethode dem Besteller Schadenersatz zugesprochen werden sollte für Mängel an von einem Gartenbauunternehmen verlegten Natursteinplatten, die sowohl auf Ausführungsfehlern als auch auf Planungsfehlern und der Verletzung der Objektüberwachungspflicht des beauftragten Architektenbüros beruhten – und vor allem: die der Besteller nicht beseitigen lassen wollte. Der BGH stützt seine rechtliche Kehrtwende vor allem auf Bedenken gegen eine Überkompensation des Geschädigten. Der Schaden läge nämlich nicht in der Höhe der Beseitigungskosten, sondern vielmehr in dem Leistungsdefizit, das nur durch Vergleich mit der geschuldeten Werkleistung festgestellt werden könne.

Probleme in der Praxis

Die höchstrichterliche Entscheidung wirft Fragen und Unsicherheiten im Hinblick auf die zukünftige Berechnung von Schadensersatzhöhen auf. Die Ermittlung einer Vermögensbilanz im Hinblick auf die mangelhafte Sache ist im Einzelfall mit viel Aufwand verbunden. Im Falle des Verkaufs einer Immobilie, ohne zuvor einen vom Unternehmer verursachten Mangel am Objekt beseitigen zu lassen, kommt eine Schadensberechnung auf der Basis des Mindererlöses zwar grundsätzlich in Betracht. Angesichts der Immobilienmarktentwicklungen in vielen Gebieten Deutschlands kann der Mindererlös jedoch nicht verlässlich festgestellt werden.

Statt auf Basis fiktiver Mangelbeseitigungskosten abzurechnen, kommt ein Vorschussverlangen für den Besteller in Betracht. Dieses birgt den Vorteil, dass der Besteller nicht in Vorleistung gehen muss, um den Mangel beseitigen zu lassen. Das Vorschussverlangen führt jedoch auch zu einer Pflicht, über den Vorschuss konkret abzurechnen und nicht verbrauchte Kosten an den Unternehmer bzw. den Verpflichteten zurückzuerstatten. Der Mangel muss folglich beseitigt werden.

Widerspruch zu Kauf- und Schadenrecht

Die Entscheidung des BGH steht derzeit im Widerspruch zu den noch gängigen Berechnungsmethoden für die Schadenersatzhöhe im Kaufrecht und auch im Schadenrecht bei Verkehrsunfällen. Veränderungen sind jedoch auch in diesen Bereichen zu erwarten. So urteilte bereits das OLG Frankfurt am 21.01.2019[2], dass der Käufer einer mangelhaften Immobilie seinen Schaden nicht auf der Grundlage der fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnen könne, wenn er die Immobilie behalte. Dies gelte nach Ansicht des Gerichts insbesondere, wenn die fiktiven Mangelbeseitigungskosten den Wert des Gebäudes erreichen oder übersteigen sollten. Es verweist in seinem amtlichen Leitsatz sogar auf das im Werkvertragsrecht ergangene BGH-Urteil und auf den Verstoß gegen das Verbot einer Überkompensation des Geschädigten.

[1] BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463
[2] OLG Frankfurt, Urteil vom 21.01.2019, 29 U 183/17, BeckRS 2019,370

Merle Kammer
Rechtsanwältin