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13. Juni 2019
Keine Befreiung von der Erbschaftsteuer bei Erwerb eines (nur) vormerkungsgesicherten Familienheims

Der Erwerb eines sogenannten Familienheims kann erbschaft- und schenkungsteuerlich steuerbefreit sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte über die Frage zu entscheiden,[1] ob der Erwerb einer selbst genutzten Immobilie von der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG erfasst wird obwohl die Eintragung des Erblasser-Eigentums im Grundbuch noch nicht erfolgt war.

Sachverhalt

Die Ehefrau (und spätere Erblasserin) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag eine noch zu errichtende Eigentumswohnung samt Tiefgarage von einem Bauträger. In diesem Zuge wurde gleichsam die Auflassung erklärt, womit sich der Verkäufer zur Übertragung des Eigentums an die Käuferin verpflichtete. Aufgrund dessen wurde auch eine entsprechende Vormerkung in das Grundbuch eingetragen. Der Ehemann (und Kläger) und seine Ehefrau bezogen die Wohnung nach Fertigstellung. Der Kaufpreis war bis auf eine Rate gezahlt.

Die Ehefrau verstarb nach dem Einzug und hinterließ in ihrem privatschriftlichen Testament ein Vermächtnis zu Gunsten ihres Ehemanns, kraft dessen er das alleinige Eigentum an der Immobilie erhalten sollte. Im Übrigen bestimmte die Erblasserin die gesetzliche Erbfolge. Der Anspruch der Ehefrau auf Erwerb des Eigentums war allerdings noch nicht im Grundbuch eingetragen worden, woraufhin schließlich nur der Ehemann als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Immobilie diente ihm überdies weiterhin als Wohnung.

Das Urteil

Der zuständige II. Senat des BFH hat sich in seinem Urteil ausführlich mit der Voraussetzung des Erwerbs von (Mit-)Eigentum auseinandergesetzt. Die Begriffe Eigentum bzw. Miteigentum seien zivilrechtlich zu verstehen und richten sich damit allein nach den Regelungen des BGB. Hier stand der Erblasserin im relevanten Todeszeitpunkt nur die Auflassungsvormerkung zu. Die Vormerkung kündigt die noch zu erfolgende Eigentumsübertragung an und sichert so den Anspruch des Erwerbers. Zivilrechtlich hatte die Ehefrau damit einen Anspruch auf Eigentumserwerb, war aber noch keine Eigentümerin. Hierfür wäre die Eintragung in das Grundbuch erforderlich gewesen (§§ 873 BGB, 4 Abs. 1 WEG), die insoweit rechtsbegründende – konstitutive – Wirkung hat. Das vormerkungsgesicherte Anwartschaftsrecht an sich sei aber nur ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht und werde nur in Teilbereichen wie Eigentum behandelt.[2] Das Gericht lehnt daraufhin eine Vergleichbarkeit von (Mit-)Eigentum mit der vormerkungsgesicherten Rechtsposition ab und verneint nach der Wortlautauslegung die Steuerbefreiung.

Sodann hat der II. Senat, ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift, geprüft ob eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung (sog. teleologische Extension) geboten sei. Diese hätte dann auch den vorliegenden Sachverhalt erfassen und der steuerlichen Befreiung zugänglich machen können. Aber auch hier fehlt es nach dem Dafürhalten des BFH an den Voraussetzungen für eine rechtsfortbildende Auslegung der Vorschrift.

Ferner sei auch der Vergleich mit dem gesetzlich ähnlich gelagerten Fall der Schenkung eines Familienheims (Übertragung inter vivos) zwischen Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG nicht dazu geeignet, um von der grammatikalischen Auslegung abzuweichen. Hintergrund seien die abweichenden Zielsetzungen der Vorschriften. Mit § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG habe der Gesetzgeber ehebedingte Zuwendungen zu Lebzeiten hinsichtlich des Familienheims von der Steuer befreien wollen. Die Vorschrift sei also ihrer Natur nach weiter gefasst, was sich auch im Wortlaut niederschlage, der keine Beschränkung auf den Eigentumserwerb vorsieht. Sinn und Zweck von § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG dagegen sei insbesondere der Schutz und Erhalt des familiären Lebensraumes im Todesfall sowie das lenkungspolitische Ziel des Gesetzgebers, Investitionen in das Eigenheim zu stärken.

Anmerkung

Zunächst ist dem BFH darin zuzustimmen, dass die Auflassungsvormerkung allein noch kein Eigentum zu begründen vermag. Der Eintragung des Eigentums in das Grundbuch kommt konstitutive Wirkung zu; mithin konnte vorliegend kein Eigentum übertragen werden. Dieses Ergebnis als Fallbeil zu nutzen, um die Steuerbefreiung schlechterdings auch für Anwartschaftsrechte zu versagen erscheint aber fragwürdig.

Die Auflassungsvormerkung ist notwendige Vorstufe zum Eigentumserwerb. Sie ist grundsätzlich, in Abhängigkeit von dem hiermit gesicherten Anspruch, auch übertrag- bzw. vererbbar.[3] Hier hinkt das systematische Argument des BFH im Hinblick auf §§ 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 und 3 ErbStG. Die S. 2 und 3 sehen bei Verpflichtung zur Übertragung kraft Erblasserwillens oder Nachlassteilung den Ausschluss von der Steuerbefreiung vor. Die durchschimmernde Argumentation des BFH, dies sei nur bei Volleigentum möglich und spreche damit systematisch gegen die Anwendbarkeit von §13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG auf den vorliegenden Fall, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Da auch Anwartschaftsrechte übertragen werden können, spricht dies nicht für die Begrenzung auf die Übertragung von Eigentum.

Ferner scheint die Begrenzung der Steuerbegünstigung auf das Volleigentum dem vom BFH als Maßstab vorangestellten Normzweck des Eigentumsschutzes entgegen zu stehen. Mit dem Urteil wird die Steuerbefreiung auf der zwingend dem Eigentumserwerb vorangehenden Stufe ausgeschlossen. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass Verzögerungen der Eigentumseintragung im Grundbuch auch temporäre zivilrechtliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Käufer und Verkäufer zu Grunde liegen können. Ferner ist kritikwürdig, dass der BFH den Steuerpflichtigen während der Zeitspanne zwischen Anmeldung und tatsächlicher Eintragung in das Grundbuch der verwaltungsrechtlichen Abarbeitungspraxis aussetzt.

Das Urteil ist im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden (BStBl. II 2018, 362) und damit über den Einzelfall hinaus anwendbar. Der Praxis ist folglich zu raten, die Übertragung von Familienheimen inter vivos zu prüfen, die insoweit mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Steuerbefreiung bietet. Darüber hinaus ist der erwerbende Ehegatte bei Schenkung eines Familienheims nicht für einen Zeitraum von 10 Jahren zur Eigennutzung verpflichtet.

[1] BFH, Urteil vom 29.11.2017 – II R 14/16, in: ZEV 2018, 290.
[2] BFH, Urteil vom 29.11.2017 – II R 14/16, a.a.O., Rz. 19.
[3] Vgl. Kanzleiter, in: MüKo BGB, § 925 Rz. 39.

Lars Starke, LL.M.
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