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2. Februar 2021
Deutscher Wohnsitz bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt

Vorübergehende Auslandsaufenthalte erfreuen sich, ob bei Studierenden oder Arbeitnehmern, stetig zunehmender Beliebtheit. Dabei stellen sich viele die Frage, ob ein bisher bestehender deutscher Wohnsitz während dieser Zeit beibehalten oder alternativ zurück ins Elternhaus verlegt werden sollte, um „Vorteile“, wie etwa den Bezug von Kindergeld oder die steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen, zu erhalten. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick darüber, was es in solchen Fällen grundsätzlich zu beachten gilt und zeigt anhand eines Beispiels aus der jüngeren Rechtsprechung auf, dass etwaige Gestaltungen ins Leere laufen können.

Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland

Wer hierzulande einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist nach den nationalen Regelungen unbeschränkt, d. h. mit seinem Welteinkommen, steuerpflichtig. Dies gilt im Falle eines steuerlichen Wohnsitzes im Sinne der AO unabhängig davon, ob man sich (teilweise) in einem anderen Land aufhält. Mit der unbeschränkten Steuerpflicht einher geht die Möglichkeit der Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse, also z. B. des Abzugs von Sonderausgaben und Werbungskosten. Beruflich oder durch ein Zweitstudium veranlasste Werbungskosten können steuerlich berücksichtigt – ggf. sogar vorgetragen – werden und wirken sich somit steuermindernd aus.[1]

Beachte: Entgegen weitläufiger Vermutung wird ein steuerlicher Wohnsitz nicht durch Meldung beim zuständigen Meldeamt begründet oder beendet. Gemäß § 8 AO reicht es aus, dass jemand „eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird“. Die Meldung hat nur Indizwirkung!

Wer im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes weiterhin einen deutschen Wohnsitz innehat, ist in aller Regel doppelt unbeschränkt steuerpflichtig (im Zielland und in Deutschland). In Abhängigkeit des Ziellandes wird eine doppelte Besteuerung entweder durch ein Doppelbesteuerungsabkommen oder durch nationale Regelungen zur Anrechnung der ausländischen auf die deutsche Steuer vermieden. Zu beachten ist, dass im Ergebnis eine Steuermehrbelastung entstehen kann. Dies ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Die Aufgabe des deutschen Wohnsitzes kann unter Umständen sinnvoll sein, um einen niedrigeren Steuersatz im Zielland zu nutzen. Hält der Steuerpflichtige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, kann der Wegzug allerdings die Besteuerung stiller Reserven zur Folge haben (sog. Wegzugsbesteuerung). Diese entfällt rückwirkend, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren nach Wegzug zur unbeschränkten Steuerpflicht zurückkehrt und die Rückkehrabsicht von Anfang an glaubhaft machen kann.

Berechtigung zum Bezug von Kindergeld

Elternteile, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, haben grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld. Bei lediglich beschränkter Steuerpflicht haben ggf. diejenigen Elternteile Anspruch, die in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat leben, aber in Deutschland arbeiten und der deutschen Sozialversicherung unterliegen.

Es werden grundsätzlich nur Kinder berücksichtigt, deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in einem EU- bzw. EWR-Staat liegt und die jünger als 18 Jahre sind. Befindet sich das Kind in Ausbildung (dazu gehören auch Schule und Studium), können Eltern bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes Kindergeld beziehen.

Für die Frage der Kindergeldberechtigung eines Kindes, das seinen Auslandsaufenthalt, beispielsweise ein Auslandsstudium, in einem EU- bzw. EWR-Staat verbringt, ist es nicht von Bedeutung, ob währenddessen weiterhin ein deutscher Wohnsitz des Kindes besteht. Dieser kann grundsätzlich aber dann erforderlich sein, wenn Zielland des Kindes ein Drittstaat ist. Ähnlich gelagerte Fälle haben den BFH schon mehrfach beschäftigt und es sollte bei einem Auslandsstudium u. Ä. eingehend geprüft werden, ob die Voraussetzungen zum Bezug von Kindergeld tatsächlich noch erfüllt sind.

Beispiel: Abzug von Werbungskosten, die durch ein Zweitstudium veranlasst sind

Kosten für eine (beruflich veranlasste) doppelte Haushaltsführung sind als Werbungskosten abziehbar, wenn die Bedingungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfüllt sind. Eine doppelte Haushaltsführung liegt danach vor, wenn der Arbeitnehmer i) am Ort der Tätigkeitsstätte wohnt und ii) außerhalb des Orts der Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält. Voraussetzung für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ist, dass der Steuerpflichtige sich finanziell an den „Kosten der Lebensführung“ beteiligt.

In einem jüngeren, durch das Finanzgericht Düsseldorf verhandelten, Streitfall[2] gab der Kläger Kosten der doppelten Haushaltsführung in seiner Steuererklärung an. Seine Rechtfertigung war folgende: Für Zwecke eines Master-Studiums bezog der Kläger eine Wohnung im Ausland; gleichzeitig hatte er mit seinen Eltern einen Mietvertrag für zwei Zimmer im in einer deutschen Stadt belegenen Elternhaus geschlossen. Das zuständige Finanzamt versagte dem Kläger den steuerlichen Abzug der Mietzahlungen an die Eltern mit der Begründung, dass dieser im Haus seiner Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten und sich im Streitjahr auch nicht an den Kosten der Lebensführung beteiligt habe. Weil das Finanzamt seine Auffassung auch nach Einspruch des Klägers nicht änderte, erhob der Steuerpflichtige Klage.

In seinem Urteil gab das Finanzgericht dem beklagten Finanzamt recht. Mit Bezug auf die jüngere Rechtsprechung zum Begriff der „Kosten der Lebensführung“ argumentierte es, dass die finanzielle Beteiligung des Klägers, die lediglich diverse Wohnnebenkosten anteilig (gem. Mietvertrag) sowie sporadische Einkäufe umfasst habe, für das Bestehen eines eigenen Hausstands nicht ausreiche. Vielmehr setze eine Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus, dass sich der Steuerpflichtige an sämtlichen Aufwendungen, die den gemeinsamen Haushalt betreffen, systematisch und angemessen beteilige. Im Streitfall hätte der Kläger sich z. B. auch an den Kosten für Lebens- und Verbrauchsmittel, die Anschaffung von Haushaltsgegenständen, Dinge des alltäglichen Gebrauchs sowie Reparaturen (nicht nur sporadisch) beteiligen müssen.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass neben dem umfangreichen organisatorischen Aufwand eines Auslandsaufenthalts auch steuerliche Abwägungen sinnvoll sein können. Dabei lässt sich keine allgemeine Aussage darüber treffen, ob das Bestehen eines deutschen Wohnsitzes während der Zeit im Ausland sinnvoll ist. Vielmehr ist die Würdigung aller Einzelheiten des jeweiligen Sachverhalts erforderlich, um die beste Lösung zu finden.

[1] Hinweis: Durch ein Erststudium veranlasste Kosten gelten als Sonderausgaben und können nur im Veranlagungszeitraum der Entstehung steuerlich berücksichtigt, nicht jedoch zeitlich vorgetragen werden (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2019 – 2 BvL 22–27/14).
[2] FG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2020 – 9 K 719/17 E.

Dipl.-Ökon. Dr. Simone Wick
Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht